Urlaub nackt auf Domaine de Bélézy in der Provence
Jeden Mittwoch ist großer Grillabend angesagt. Am Grill stehen, wie meist, nur die Männer. Die überwiegend französischen Gäste haben Humor. „Pass auf, du hast gleich noch ein Grillwürstchen mehr“, so oder ähnlich gehen die Scherze, wenn der nackte Grillmeister zu nah am Feuer steht. Der Naturisten-Campingplatz hat Platz für 1000 Menschen, und so wird es auf der Domaine sehr gesellig. Man sitzt dicht an dicht auf Biergartenbänken, kredenzt wird roter oder weißer Hauswein in Karaffen. Das nachmittägliche, sehr entspannte Boulespiel auf dem großen Platz unter den Bäumen ist beendet, und die meisten bringen selbstgemachte Salate oder Snacks mit. Und natürlich das obligatorische Handtuch, denn mit nacktem Po setzt sich ein echter Naturist nicht auf Bank oder Stuhl.
Im Jahr 2017 feierte der Platz sein 50-jähriges Jubiläum. „Stellen Sie sich mal vor, als 1967 dieser Platz angelegt wurde – die Dorfbevölkerung von Bedoin war damals sehr tolerant, solch einen freizügigen Urlaubsort in der Nähe zu haben“, sagt Madelon Leclère, die den Platz heute managt. Damals diente das verlassene Gutshaus, die „Domaine“, als einzige Unterkunft. Natürlich waren die Preise damals anders: 1971 kostete eine Übernachtung in der Hütte vier Francs, was etwa 60 Cent entspricht, ein Platz im Zelt kostete 1,20 Francs, also etwa 15 Cent. Der alte Schlafsaal mit fast zwei Dutzend Etagen-Betten im Jugendherbergs-Stil ist heute noch in Benutzung; er wird an alleinreisende Kurzzeitbesucher, die ohne Zelt anreisen, vermietet.
Zum 50-jährigen Jubiläum des Platzes erstellte der Fotograf Filip Naudts ein Fotoprojekt, in dem er die Stammgäste des Platzes, die drei Generationen umfassen, auf Schwarz-Weiß-Fotos portraitierte. Nackt natürlich, im Pool schwimmend, an Bäumen lehnend oder auf der Wiese stehend. Diese Fotos wurden ein Jahr lang auf dem Gelände ausgestellt. Doch den Besuchern wird noch mehr Kunst geboten. Auf dem Gelände gibt es Land-Art-Installationen, und eigenwillige geschnitzte Figuren. „Musik war schon immer sehr wichtig auf dem Platz“, erzählt Leclère. Den ganzen Sommer üben können die Feriengäste Konzerten lauschen oder auch selbst im Chor singen. Kinder zieht es meist zu dem platzeigenen Bauernhof, wo es Pferde, Ziegen und Schweine gibt. Oder zu den riesigen Pools in der Mitte des Platzes.
Es gibt die Möglichkeit, zu zelten, im Caravan zu schlafen oder eine der Hütten zu mieten. Am begehrtesten sind die „Glamping“ Zelte im Wald, am Hügel, von dem man das ganze Tal überblickt. Sie haben zwei Schlafkabinen, eine Küche und eine große Veranda – und sind, so die Campingleitung, praktisch für die nächsten drei Jahre ausgebucht. Das beste an diesen Zelten ist jedoch das „Badezimmer“: dazu läuft man eine Treppe durch den Wald hinab und steht in einer großen Parkanlage, im Fuße des Tals, mit grünem Rasen. In dessen Mitte stehen drei elegante Waschbecken mit großen Spiegeln und eine warme Dusche mit Rundumblick. Es gibt wohl kaum einen anderen Campingplatz, in dem man mitten in einer Parkanlage nackt duschen kann, und dabei einen freien Blick bis hoch zum Hausberg Mont Ventoux hat. Dieser Mont Ventoux ist das Ziel unzähliger Hobby-Radler, die ihre Tour meist im nahegelegenen Dorf Bedoin beginnen. Die Tour zum „windigen Berg“ wurde berühmt durch die Tour de France, die mittlerweile 13mal über den fast 2000 Meter hohen Berg hinwegrollte.
Für Radtouren muss man zumindest eine Hose anlegen, denn wenn man die Domaine verlässt, gilt strenges Kleider-Trage-Gebot. Das Dorf Bedoin ist eines jener typisch provenzalischen Dörfer mit hohen, Schatten spendenden Platanen, jeder Menge Straßencafés und Restaurants. Und einem Wochenmarkt an jedem Montag, der fast das gesamte Dorf ausfüllt. Unbedingt probieren: provenzalisches Aioli, ein einfaches Gericht mit Knoblauchmayonaise, die man mit in Safran gekochten Kartoffeln, Meeresfrüchten, Fisch, Gemüse und einem gekochten Ei isst.
In Bedoin gibt es außerdem eine Winzergenossenschaft, die Vignerons du Mont Ventoux, die einen hervorragenden Wein produziert. Etwa 20 Kilometer entfernt liegt das mittelalterliche Dorf Vaison la Romaine, hoch auf den Felsen über dem Fluss, an der Kreuzung antiker römischer Straßen. Vaison la Romaine ist die größte archäologische Ausgrabungstelle in Frankreich, es gibt viele Funde aus der Epoche um 100 nach Christus. Die römische Brücke über das Flüßchen Ouvèze ist eine der seltenen antiken Brücken, die noch heute in Betrieb ist und für Autoverkehr zugelassen.
Familien mit Kindern werden aber eher den kleinen Bauernhof auf dem Platz bevorzugen, wo es Schweine, Ziegen und Pferde gibt. Übrigens ist das Nacktsein auf der Domaine nicht Pflicht: laissez-faire heisst das Gebot, ein jeder soll sich so kleiden, wie er sich am wohlsten fühlt. Dabei lässt sich beobachten, dass Frauen im allgemeinen lieber verhüllen als Männer. Warum das so ist, erklären Fachleute mit der Medienwelt: die hat es bewirkt, dass Frauen viel kritischer sind mit ihrem Körper als Männer und sich, bewusst oder unbewusst, oft mit den Models aus den Hochglanzmagazinen vergleichen.