Der Bebra Verlag, für den ich fast einmal ein Buch geschrieben hätte, hat mir ein Büchlein zugeschickt, das im Original im Jahr 1931 erschienen ist. Es entführt den Leser in das Berlin der goldenen 20er Jahre, und ich gebe zu, dass ich es verschlungen habe und es schon jetzt zum Berlin-Buch des Jahres küre. In den 20er Jahren schwappte der Swing nach Berlin. Berlinerinnen waren damals wohl hochgradig tanzbegeistert: es wurde Nacht für Nacht in fast 900 Ballsälen oder Tanztempeln getanzt! Manche Hotels hielten sich eigene Tanzkapellen. Wenn man so liest, wie sich das Nachtleben im Berlin der 20er Jahre gestaltete, und es mit den heutigen Vergnügungsstätten vergleicht, kann man nur den Schluss ziehen, dass Nightlife 2018 absolut kalter Kaffee ist! Kokain wurde damals schon in rauen Mengen konsumiert, und Tischtelefone und sogar Rohrpost waren in den Tanzlokalen keine Seltenheit! Mit dem Tischtelefon konnte man einen Partner zum tanzen auffordern, mit der Rohrpost wurden Liebesbriefe verschickt (die allerdings manchmal zensiert wurden, vom Chef des Hauses). Es gab ein Mega-Restaurant, Haus Vaterland, mit mehreren 1000 Plätzen, und Abteilungen mit kulinarischen Genüssen aus aller Welt. Natürlich waren die Bedienungen immer in der Landestracht gekleidet, spanisches Essen servierten feurige Flamenco-Tänzerinnen usw. Ein anderes Restaurant war ein Gefängnis (Sing Sing), in dem Knackis das Essen servierten. Es gab sogar einen elektrischen Stuhl, und wer darauf auf authentischsten zappelte, bekam ein Freibier. Mehr dieser Anekdoten: Führer durch das lasterhafte Berlin, Bebra Verlag, Curt Moreck, 22 Euro. Erhältlich in jeder Buchhandlung.