Eine „Adventsstadt“ nennt Quedlinburg sich neuerdings, und dazu gibt es im Internet auch eine eigene Homepage. In der Tat gibt es wohl keine andere deutsche Stadt mit einem derart stimmungsvollen Weihnachtsmarkt – auch das traditionelle Nürnberg kann da nicht mithalten. Die Unesco-Welterbestadt wartet mit 1200 (!) denkmalgeschützten Fachwerkhäusern auf, die aus allen Epochen stammen. Der Weihnachtsmarkt findet nicht am Kornmarkt am Rathaus statt, sondern auch in umliegenden 25 Höfen.
Dabei hat jeder Hof ein eigenes Thema. Im „spanischen Hof“ gibt es heisse Sangria und andalusische Weihnachtsleckereien, im Hof an der Heiligegeiststrasse einen weihnachtlichen Jahrmarkt der Jahrhundertwende, im Wordhof wird ein Wildschwein am Spieß gegrillt, und im Hof „Pfeiffer mit drei f“ gibt es Feuerzangenbowle – als Film und zum Trinken. Der Besucheransturm am ersten Adventswochenende war bereits enorm – Besucher kamen von weit her, zum Teil übernachteten sie auch in Quedlinburg. Für die Kinder hat man sich einen „lebenden Adventskalender“ ausgedacht. Jeden Tag vom 1. bis zum 24. Dezember um 16:30 Uhr versammeln sich die Kids vor dem Finkenhaus. Von dort aus wird ein Haus mit einem leuchtenden Stern gesucht, hinter dessen Tür sich märchenhafte und natürlich auch süße Überraschungen verbergen.
Um sich etwas zum Taschengeld dazuzuverdienen, postieren sich viele Kinder auf dem Weihnachtsmarkt und singen Weihnachtslieder oder spielen weihnachtliche Weisen auf der Blockflöte.
Markt und Straßen stehn verlassen,
still erleuchtet jedes Haus,
sinnend geh ich durch die Gassen,
alles sieht so festlich aus.
An den Fenstern haben Frauen
buntes Spielzeug
fromm geschmückt,
tausend Kindlein stehn
und schauen,
sind so wunderstill beglückt.
Joseph von Eichendorff
Wenn man heute durch die Altstadt Quedlinburgs mit den piekfein restaurierten Fachwerkhäusern schlendert, kann man sich kaum noch vorstellen, wie es hier zu DDR-Zeiten aussah. Eine Fotoausstellung in der Tourismusinformation (Eintritt: 1 Euro) zeigt Schwarz-Weiß Fotos einer halb verfallenen Stadt, die von ihren Bewohnern verlassen wurde. „Der Mauerfall war unser Glück, nur so konnten die alten Häuser gerettet werden“, erzählt Stadtführerin Astrid Stubbe. Um 500 Millionen Euro beziffert man den Sanierungsbedarf insgesamt. Zwar wurden auch schon zu DDR-Zeiten einige Fachwerkhäuser restauriert. Doch die polnischen Spezialisten ließen sich diese Arbeit in harter Währung bezahlen, und so konnte pro Jahr nur ein Haus bearbeitet werden. Bei 1200 denkmalgeschützten Häusern war dies nur ein Tropfen auf den heissen Stein.
Manche Fachwerkhäuser sind bis heute unter Putz versteckt. Stubbe deutet auf ein Haus, wo der Putz gerade vorsichtig abgetragen wird: „Es gab früher mal eine steuerliche Regelung, nach der sich der Steuersatz nach der Anzahl der Balken im Haus errechnete“, erklärt sie. Deshalb „versteckten“ sie die Bewohner gerne unter einer Schicht Putz. Im „Schuhhof“, den man über eine schmale Passage erreicht, die durch ein Fachwerkhaus hindurchführt, hatten früher die Schuster ihr Revier. Oben wohnte man, unten im Haus war die Werkstatt und der Laden. Bis heute erhalten sind die „Laden“, eine Art Klappfenster, die man herunterklappte, um seine Waren zu präsentieren. Die schmalen Gassen, die mit Kopfstein gepflastert sind und hohe Bordsteine haben, waren zu DDR-Zeiten gerade so mit dem Trabant passierbar. Breitere Autos wie etwa ein Wolga passten nicht hindurch.
Ein besonders reich geschmücktes Fachwerkhaus findet sich am Kunsthoken, es war direkt in die alte Marktmauer gebaut. Das Haus aus dem Jahr 1535 weist Fächerrosetten, doppelte Arkaden sowie Fenster aus Butzenglas auf. Das Wort Hoken weist auf Kleinhändler hin, daraus leitet sich übrigens der Begriff „verhökern“ ab.
Das Café „Zum Roland“, in der Nähe der Roland-Statue am Rathaus, wirbt mit dem Spruch „Einziges Café der Welt in 7 Häusern“. Tatsächlich sind es sieben Fachwerkhäuschen, die sehr eng beieinanderstehen und innen alle verbunden sind. Innen ist es dementsprechend kuschlig und verschachtelt, aber hochgradig gemütlich. Reichtum erlangte die Stadt Quedlinburg einst mit der Herstellung von Bier. Heute ist nur noch das Brauhaus Lüdde übrig, 1876 gegründet. Die Spezialität hier ist das „Pubarschknall“, ein Spezialbier mit einem Alkoholgehalt von nur 1%, dessen Name auf die Wirkung zurückgeht, die es in früheren Zeiten einmal hatte, wenn man es zu lange stehen ließ. Auch den Knuttenforz, ein Schwarzbier, kann man heute ohne Bedenken trinken. Sie fragen sich, wo die hübschen Männer bleiben, die in der Überschrift angekündigt wurden? Die finden Sie in Quedlinburg bestimmt selber… In der Tat war es ein dreister Leserfang…. denn eine Leserbefragung ergab, dass meine Reportage „Die hübschen Frauen aus Sankt Petersburg“ mit Abstand die meisten Leser hatte…
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Hey, solchen Gassen liebe über alles!
Liebe Grüße!
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