Unterwegs auf einem „Multi-Market Press Trip“ nach Amsterdam und London
„Unter anderem haben wir neue Häuser der Marke DoubleTree by Hilton in London und Amsterdam eröffnet. Wir wären froh, wenn wir Sie auf unserem internationalem Press Trip begrüßen dürften, auf dem Sie ein tolles Programm in beiden Städten erwartet“… So etwa lautete die mail, die ich eines Tages in meiner Mailbox vorfand. Nach London wollte ich sowieso mal wieder, und werde könnte bei einem solch verlockendem Angebot widerstehen? Zumal alles, von den Flügen bis zu Restaurantbesuchen und Museumsbesuchen von der spendablen PR-Agentur aus München bezahlt würde.
Ein „internationaler Press Trip“, um zwei neue Hotels kennenzulernen? Nichts ungewöhnliches, viele PR-Agenturen reißen sich um Journalisten, um „tolle Hotels“, „sagenhafte Spas“ oder „exklusive Resorts“ vorzuführen. Der Organisation dieser Reise haftete allerdings etwas „last-minute“ artiges an: erst einen Tag vor dem Abflug trifft mein e-ticket und das Programm ein. Ich lande in Amsterdam-Schiphol, und da mich niemand am Flughafen abholt, schickte mir die Agentur ein Ticket für eine Zugfahrkarte vom Flughafen bis zum Zentralbahnhof. Das Hotel läge in unmittelbarer Nähe des Zentralbahnhofes, schrieb man mir in den Waschzettel.
Ich will den Praxistest machen und frage ein gutes Dutzend einheimisch Aussehender, ob sie ein „Double Tree“ Hotel in der Nähe kennen würden. Kein einziger Treffer. Nach einem kurzem Rundblick entdecke ich das Haus selber, ein schrecklicher Klotz mit über 500 Zimmern direkt neben dem Bahnhof. Umgekehrt proportional zu seiner Größe ist der Eingang des Hotels, eine winzige Tür am äußersten Ende des Gebäudes, die in eine winzige Lobby führt. Profitmaximierung scheint hier Philosophie zu sein.
Ich treffe auf die „internationale Journalistenreisegruppe“, die aus einem netten Herrn aus Mailand und einem weiteren Journalist aus Moskau besteht, und wir haben ein „Light Lunch“ mit der Hotelchefin. Dabei erfahren wir, dass das Haus schon seit Wochen zu 98% ausgebucht ist, was die Frage aufwirft, warum man dann noch einen internationalen Press Trip organisiert.
Das Programm für Tag 1 besteht aus einer privaten Bootsfahrt durch die Kanäle mit Admiraal Heijn, der uns einige Anekdoten über Amsterdam erzählt und leckere frittierte Bällchen serviert, zusammen mit Champagner. Dabei hatten wir gerade gegessen, aber es soll ja niemand hungern. Der Ausstieg ist an der Kneipe Hannekes Boom mitten auf den Docklands, ein Geheimtip von Admiraal Heijn. Danach geht es zum Abendessen in die Skylounge des Hotels, wo man zwar eine tolle Aussicht auf das nächtliche Amsterdam hat, dank der Beschallung aber kaum eine Unterhaltung möglich ist.
Beim Frühstücksbuffett wird es deutlich sichtbar, dass das Hotel ausgebucht ist – Schlangen vor dem viel zu kleinen Frühstücksbuffett. Danach steht die Besichtigung des Scheepvaartmuseums an, und dann: Freizeit! Ich miete ein Hotelfahrrad und erkunde Amsterdam auf zwei Rädern. Unter anderem sehe ich mir das Hausbootmuseum an, das Admiraal Heijn uns gestern empfohl. Ein Lehrer, der lange auf einem Hausboot lebte, habe es eingerichtet. Er kassiert 3,5 Euro Eintritt von jedem Besucher und braucht schon lange nicht mehr als Lehrer zu arbeiten. Den Amsterdam-Pass, der auf meinem Zimmer lag, spendiert vom Tourismusbüro, kann ich wegen Zeitmangels gar nicht ausnutzen.
Dann ein abendlicher Flug nach London, und mit einer Limousine werden wir – fast wollte ich schreiben: standesgemäß – ins Londoner DoubleTree by Hilton gebracht, direkt am Tower of London. Ich solle immer „DoubleTree by Hilton“ schreiben, sagte mir die emsige PR-Dame aus London, das würde „ihr Leben einfacher machen“.
Immerhin hat jedes Zimmer des Hotels einen IMac, der sowohl als Computer als auch als Fernseher dient. Mein Macbook schleppte ich also umsonst mit.
Da der Moskauer Genosse ebenso wie ich gerne Lindy Hop tanzt, beschließen wir, den Abend noch in einem Swinglokal ausklingen zu lassen, wobei es sich die PR-Dame nicht nehmen lässt, uns dorthin mit der Tube zu begleiten. Wir könnten uns ja verirren. Den Eintritt von 5 Pfund müssen wir allerdings selber zahlen.
Das Londoner DoubleTree by Hilton ist um einiges luxuriöser als das Amsterdamer Haus, wenn auch nicht so stark ausgelastet. Als Kennenlern-Programm steht eine Besichtigung des Tower of London, des Kensington Palace, des „London Eye“ und ein Ausflug zum Camden Market an. Letzteres wohl auf Drängen unserer PR-Dame, die im stressigen Büroalltag sonst kaum Zeit zum Shopping hat. Wir bemängeln, dass der Neuigkeitenwert, journalistisch gesehen, von „Top-Zielen“ wie Tower of London oder Camden Market nicht gerade sehr hoch ist. Dass der Kensington Palace kürzlich erst nach zweijähriger Renovierung wieder eröffnet wurde, wurde uns verschwiegen.
Dank des Moskauer Kollegen bekommen wir am Tag 2 noch eine echte Rarität zu sehen. In der Folgate Street in Spitalfields, erzählt er, habe er vor ein paar Monaten ein Haus besichtigt, dessen Inneres das Leben einer hugenottischen Seidenweberfamilie am Anfang des 18. Jahrhunderts konserviert, und war derart, dass man glaubt, die Familie sei vor ein paar Minuten gerade aus dem Haus gegangen. Das Kaminfeuer glimmt noch, Kerzen brennen auf dem Nachttisch, ein Rest Essen steht auf dem Tisch, und Leinenwäsche mit ein paar Flecken hängt im Treppenhaus der obersten Etage. Sogar die braun getigerte Hauskatze huscht ängstlich zwischen den Eindringlingen hindurch. Geschaffen wurde dieses Kleinod vom Künstler Dennis Severs, der vor 13 Jahren starb, und der in diesem Haus genauso lebte, wie die Besucher es heute vorfinden. „Durch die Eingangstür zu gehen, ist so, wie in ein Gemälde einzutauchen“, heisst es im Prospekt, und: „Ein Besuch erfordert den gleichen Grad an Konzentration wie eine Ausstellung Alter Meister“. Das Haus ist nur Sonntags zwischen 12 und 14 Uhr geöffnet.
Für den Abend, nachdem wir das Restaurant des DoubleTree by Hilton „getestet“ und für gut befunden haben, geht es noch in eine Burlesque Show im Proud Cabaret gleich neben dem Hotel. Das sei zurzeit in London „der Renner“, versichert die PR-Dame. Ist es auch, nur anders als gedacht: im Publikum sitzen fast ausschließlich aufgerüschte Mädchencliquen, die sich die Show bei Essen und Champagner angedeihen lassen.
Ich bin nicht unzufrieden – nur: Was war noch mal die Story?