Extremadura

Deutsche Künstler und die Essenz des spanischen Dorfes

In die Extremadura kommen nur wenige Touristen – die dürfen sich aber auf Kunst-Raritäten und das älteste Thermalbad Europas freuen.

Der Künstler Wolf Vostell, 1932 in Deutschland geboren, kam im Jahr 1958 zum ersten mal in die Extremadura. Die Extremadura ist die Region im westlichen Spanien, rund 300 Kilometer westlich von Madrid. „Stellen Sie sich vor, 1958 gab es in der Extremadura fast noch keine Autos, die Leute waren Bauern und bitterarm“, erzählt Josefa Cortés Morillo den Besuchern des Museo Vostell Malpartida. Der etwas feiste Deutsche verliebte sich nicht nur in den Landstrich, sondern auch in eine hübsche junge Lehrerin aus dem Dorf: in Mercedes Guardado Olivenza, und er heiratete sie ein Jahr später. Vostell, der sich damals mit Pejes, den jüdischen Schläfenlocken, umtat, die für ihn eine Hommage an den grausamen Tod der Juden in Deutschland darstellten, fiel in dem Landstrich natürlich auf. „Sie müssen daran denken, dass das noch zur tiefsten Franco-Zeit war“, schildert es Cortés Morillo. Vostell begeisterte sich für eine alte, völlig verfallene Wollwäscherei, die an einem See mit einem Staudamm lag, der von bizarren Felsen umgeben ist. Diesen Ort erkor er 1974 als Museum für die beginnende Fluxus-Bewegung aus und erklärte ihn gleichzeitig offiziell zum „Kunstwerk der Natur“.

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Da kam ein deutscher Künstler in diese abgelegene Provinz, heiratete eine Spanierin und lies einen alten Cadillac herschaffen, den er am Rand des Sees in Beton goß und zur Skulptur erklärte… Die Dorfbewohner, die sich kaum einen alten Seat leisten konnten, haben wahrscheinlich mit dem Kopf geschüttelt, aber sie respektierten den Künstler. Heute ist die Provinzregierung der Extremadura stolz auf das große Fluxus-Museum in der alten Wollwäscherei, das nur 2,5 Euro Eintritt kostet. Darin lassen sich Installationen wie amerikanische Luxusschlitten begutachten, die sich als Krake durch Ölfelder bewegen, oder die originalen Motorräder spanischen Fabrikats, die Diktator Franco bei seinen Auftritten begleiteten, und die Vostell als Theatervorhang konzipierte.

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Vostell war auch einer der Begründer der Video-Art. So sind im Museum Videos zu sehen, in denen zum Beispiel ein Cadillac von einer Gruppe lustiger langhaariger Menschen gesteinigt wird. Vostells künstlerisches Credo lautete: Leben = Kunst Kunst = Leben. In den 60er Jahren arbeitete Vostell mit Aktionskünstlern wie Nam June Paik, Stefan Wewerka und Benjamin Patterson, er bewegte sich in der Avantgarde und lernte Bert Brecht, Andy Warhol und John Cage kennen. Auch Berlin, wo Vostell später mit seiner Gattin lebte, bekam ein Denkmal von ihm: den Rathenauplatz am Ende des Kurfürstendamms schmücken zwei Cadillacs, in Beton gegossen in der Form der nackten Maja. Die Stadt ließ die Skulptur zur 750-Jahr-Feier aufstellen.

Ein weiteres Kleinod, das Besucher außerhalb Spaniens fast unbekannt ist, ist das Spa von Alange. Der römische Badetempel, das im 3. Jahrhundert nach Christi an den warmen Quellen von Alange bei Merida erbaut wurde, gilt als das älteste Thermalbad Europas, das noch in Benutzung ist. „Das Wasser entspringt sehr tiefen Gesteinsschichten und ist mit Radon 222 und Radon 226 angereichert“, erklärt Direktor Fernando Fernández-Chiralt. „Dies ist vor allem für nervliche Krankheiten heilsam, in Europa gibt es nur wenige vergleichbare Wasser“, erzählt er nicht ohne Stolz. Die Historie, dass Alange auf einem arabischem Namen (Wasser von Allah) basiert, gefällt ihm dagegen gar nicht.

Die zwei unterirdischen Badetempel, die die Römer erbauten, können gegen ein Eintrittsgeld von 19 Euro für 23 Minuten besucht werden. Heute wird auch nicht mehr nach Männern und Frauen getrennt. Im Preis inbegriffen ist eine „schottische Dusche“, bei der eine Bademeisterin die Gäste mit den Schlauch abspritzt. Im 19. Jahrhundert kamen zu den Badetempeln noch umfangreiche Installationen wie Swimmingpool, marmorne Badewannen, Massagekabinen, Hydro-Massagebecken und ein kleiner Park. Heute wirkt die ganze Anlage hoffnungslos veraltet – doch das Flair der historischen Badetempel, zusammen mit bunter Glaskunst des Art Nouveau und Resten der arabischen Besiedlung besitzt ein einzigartiges Flair. So wurde das Ensemble 1993 zum Weltkulturerbe erklärt.

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Wie so viele Orte dieser Gegend, wird Alange durch eine alte Burg der Araber dominiert, das Castillo de la Culebra. Im nahen Merida kommen Fans von Ausgrabungen aus römischen Zeiten voll auf ihre Kosten. „Praktisch die ganze Stadt ist gebaut auf römischen Ruinen“, erzählt Marco Mangut, der Touristen die Geschichte dieses Ortes näherbringt. Nirgendwo außerhalb von Italien bekommen Besucher eine derartige Masse an römischen Bauwerken zu Gesicht. 25 vor Christus gründete Kaiser Augustus hier die Stadt Emerita Augusta. Und heute noch sind das Theater, das Amphittheater, der Circus, Tempel, Brücken und Aquädukte aus dieser Zeit fast perfekt erhalten. Dazu viele Storchennester – eine Familie hat sich sogar auf dem Dach des Rathauses niedergelassen! Insgesamt leben in der Extremadura rund 12.000 Weißstörche, und man begegnet ihnen überall, auf Strommasten, Kirchtürmen oder auf den Aquädukten. Die Extremadura ist ein wichtiges Vogelschutzgebiet, nicht zuletzt wegen der geringen Bevölkerungsdichte: auf einem Quadratkilometer leben hier nur  26 Menschen. Bäume, vor allem Olivenbäume und Korkeichen, gibt es dagegen massig: auf einen Einwohner kommen 500 Bäume. Noch ein paar Rekorde: die Region hat 1500 Kilometer Süßwasserufer und 150 Orchideenarten in freier Natur. Aus der Extremadura kommt der besten Schinken überhaupt, der „Eichelschinken“ vom schwarzhäutigen Cerdo Ibérico.

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Ein wichtige Adresse für Vinophile ist der Weinkeller Atrio im Zentrum der Altstadt von Cáceres. Er beherbergt eine der umfangreichsten Sammlungen von Weinen in Europa mit rund 40.000 Flaschen. Angeschlossenen ist ein kleines 5-Sterne Hotel, das zur Kette Relais & Chateau gehört und ein Restaurant mit zwei Michelin-Sternen aufweist. „Sehen Sie, hier haben wir einen Vintage Mouton-Rothschild aus dem Jahr 1929, den ältesten Jahrgang, der überhaupt erhältlich ist.“, erklärt Kellermeister José Polo y Toño Pérez. Doch nicht nur renommierte Tropfen lagern hier, auch seltene Weine kleiner, unbekannter Kellereien können hier besichtigt werden. In einer kleinen Kapelle in einer Nische lagert die Kollektion von Chåteau d‘Yquem, die 80 Jahrgänge umfasst“, erklärt Polo stolz seinen Gästen. Die teuerste Flasche, die an einer geheimen Stelle lagert, kostet übrigens weit mehr als 200.000 Euro.

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In Cáceres gibt es noch ein Museum, das Deutschen Ursprung hat: das Centro de Arte Visual Fundacion Helga de Alvea. Die Rheinland-Pfälzerin heiratete vor vielen Jahren den spanischen Architekten Jaime de Alvear und führte in den 90er Jahren, als dies in Spanien noch unbekannt war, zeitgenössische Videokunst, Installationen und Fotografie ein. Ihre Sammlung umfasst rund 2500 Exponate, der Eintritt ist frei.

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„Das, was ich an der Altstadt in Cáceres am meisten liebe, ist das Fehlen von Souvenirgeschäften“, erzählt Karissa Winters, die aus Connecticut stammt, aber schon seit vielen Jahren ihr Herz an die Extremadura verloren hat. In einer Ecke versteckt gibt es dann doch noch einen verstaubten Souvenirladen. Karissa ruft der Inhaberin eine fröhliche Begrüssung in perfektem Spanisch zu, und diese holt für die Gäste einen Strohhut hervor, den früher die Jungfern im Ort getragen hatten. Er ist über und über mit bunten Blumen und Bändern versehen. „So fiel die Trägerin den jungen Burschen auf“, erzählt Winters. Wenn das Mädchen dann aber geheiratet hatte, durfte sie nur noch einen Hut mit gedeckten Farben tragen. Gut behütete Damen gibt es heute in Cáceres – wie in ganz Spanien – nicht mehr.

Information:

Turismo Extremadura

Anreise:

Die Anreise ist nicht ganz einfach – dies ist auch ein Grund, warum die Extremadura zu den touristisch eher vernachlässigten Gegenden Spaniens zählt.

Flug bis Madrid, z. B. mit Iberia

Von dort mit dem Bus (4 Stunden Fahrzeit) bis nach Cáceres. Busse fahren mehrmals täglich von der Estacion del Sur in Madrid ab. Ein Ticket kostet rund 20 Euro.

Reisezeit:

Am besten im März bis Mai oder Oktober bis November

Im Juli und August liegen die Temperaturen fast immer über 40 Grad!

Restauranttipp:

El Figón de Eustaquio

Speisen mit Gemüse aus dem Garten des Besitzers, mit viel Liebe zubereitet.

 

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